Literaturkritiker wie Marcel Reich-Ranicki oder Volker Weidermann haben es zur Berühmtheit gebracht. Sie interpretieren und werten die literarischen Neuerscheinungen Deutschlands und der Welt.
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Literaturkritiker: Definition und Aufgaben
Literarische Neuerscheinungen werden von Literaturkritikern unter die Lupe genommen und sowohl wertend als auch informierend beurteilt. Teilweise erfolgen Interpretationen der Texte, sodass die Intensionen der Autoren der jeweiligen Zielgruppe über die Literaturkritik zugänglich gemacht werden. Während es in den USA keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten der Literaturkritik gibt, kennt man in Deutschland die akademisch-institutionelle und die journalistisch-feuilletonistische Kritik. Vor allem die letztgenannte Variante ist für Normalbürger relevant.
Was versteht man unter der Literaturkritik?
Auch wenn das Wort „Kritik“ gern negativ aufgenommen wird, bedeutet es in seiner ursprünglichen Übersetzung so viel wie die „Kunst der Beurteilung“. Das Wort stammt aus dem Griechischen und wird aus dem dortigen „kritiké techné“ übersetzt.
In Deutschland findet sich die Literaturkritik mittlerweile in den Massenmedien wieder, wo literarische Neuerscheinungen besprochen werden. Vor allem die Bereiche Sachbuch und Belletristik unterliegen einer ständigen Kritik. Wer hier auf der Suche nach neuem Lesestoff ist, kann sich wunderbar an den Meinungen der Literaturkritiker orientieren. In erster Linie geht es dabei um die Bewertung zeitgenössischer Literatur, die positiv oder negativ bewertet werden soll. Kritiker sehen ihre Position dabei nicht nur als Bewerter, sondern auch als Vermittler zwischen Autor und Zielgruppe.
Aufgaben der Literaturkritik
Es geht nicht nur darum, Kritik an jeglicher Literatur zu üben. Vielmehr sollen durch die Arbeit der Literaturkritiker die Struktur und der Stil eines literarischen Werkes beurteilt werden. Damit ist möglich, das Werk einer Gattung zuzuordnen. Die Werke werden in Bezug zu ihrer Aussage auf die Wirklichkeit bzw. auf ihr Verhältnis auf diese hin überprüft und bewertet.
Für den Kritiker bedeutet das, dass er sehr belesen sein muss, einfühlsam ist und gleichzeitig offen für Neues. Der beim Lesen für sie entstehende Eindruck des Werkes muss gut zu begründen sein, gleichzeitig aber auch kritisch hinterfragt werden können. Eigene politische, ethische und weltanschauliche Meinungen und Überzeugungen der Kritiker haben in ihrer Arbeit nichts zu suchen.
Damit ist die Hauptaufgabe der Literaturkritik klar: Sie muss objektiv die Inhalte des literarischen Werkes besprechen. Dabei ist sie nie wirklich frei von einer gewissen Subjektivität, denn jede Kritik wird mit Herzblut geschrieben und beinhaltet daher doch immer eine kleine persönliche Meinung des Kritikers.
Entstehung der Literaturkritik und bekannte Vertreter
Schon in der Zeit der Aufklärung gab es eine Literaturkritik, die der heute modernen Kritik ähnelte. Quellen belegen, dass sogar davor schon erste Literaturbesprechungen bekannt waren, wenn sie auch in anderer Form als heute vorgenommen wurden. Das antike Rom kannte den „criticus“ und den „grammaticus“, ihres Zeichens nach Richter und Kenner der Literatur. In den damaligen Formen ging es aber weniger um inhaltliche Fragen, sondern eher um rhetorische und teils poetische Anschauungsweisen.
Ein geschichtlicher Exkurs
Während heute so mancher Journalist der Meinung ist, dass er ein bekannter Literaturkritiker sein könnte, waren es früher nur bestimmte Personen, die Kritik üben durften. Im Mittelalter waren es G. v. Straßburg und R. v. Ems, die ihre eigenen Werke zur Kritik an anderen Autoren nutzten.
Die moderne Literaturkritik begann in der Zeit der Aufklärung und damit erst ungefähr im 18. Jahrhundert. Gottscheds literaturkritische Schriften, die als starr und prätentiös empfunden wurden, bildeten die Grundlage für die baldige Spezialisierung im Bereich der Literatur und der zugehörigen Kritiken.
Von großer Bedeutung war dann vor allem der sogenannte Berliner Literatenkreis um Gotthold Ephraim Lessing und J. G. Sulzer. Schon bald entwickelten sich viele Gegenbewegungen zu den rationalen Kritiken der Aufklärung und es kam zu einem bisher unbekannten Pluralismus in den Bewertungen. Es kam zu Literaturstreiten, die zwischen Rationalisten und Irrationalisten geführt wurden. Das Streben nach Harmonie ist erst wieder in der Weimarer Klassik zu spüren. Die gesamte Weiterentwicklung der Literaturkritik führte dann dazu, dass die Teilung verschiedener Bereiche innerhalb der Literaturkritik erfolgte.
Video: »Bücher meines Lebens« – Volker Weidermann Mithu Sanyal Florian Illies
Akademisch-institutionell oder journalistisch-feuilletonistisch?
Die akademisch-institutionelle Literaturwissenschaft ist an Universitäten gebunden, während die zweite Form, die journalistisch-feuilletonistische Kritik an ein breites Publikum gerichtet ist und Zeitschriften, Internet, Hörfunk und Fernsehen zum Ziele hat. Teilweise wird hier schneller als tagesaktuell reagiert, was bei den großen Literaturkritiker für Bücher nicht möglich ist. Gleichzeitig passt sich die Sprache an, sodass Literaturkritiker von Werken, die im Internet erscheinen, eine andere Sprache pflegen als solche, die wissenschaftliche Werke rezensieren.
Allen gemein sind aber die folgenden Funktionen:
- Information des Publikums über Neuerscheinungen
- Bieten von praktischen Entscheidungshilfen zum Kauf
- Aufzeigen von Stärken und Schwächen eines Werkes
Früher einmal galt, dass die Aussagen der Literaturkritiker maßgeblich waren für den Erfolg eines literarischen Werkes. Das stimmt heute so nicht mehr, dennoch sollten sich die Kritiker ihrer Verantwortung bewusst sein und sowohl die Interessen der Autoren als auch des Publikums im Blick haben.
Video: Marcel Reich-Ranicki & Hellmuth Karasek bei Beckmann (2005)
Moderne Literaturkritiker: Eine Auswahl der bekanntesten Kritiker (Videos)
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte sich die Entwicklung, dass Literaturkritiker über Erfolg und Misserfolg von Werken mitbestimmen konnten, auch für den Bereich des Fernsehens fort. In dieser Zeit haben sich einige heute sehr bekannte Kritiker einen Namen gemacht, darunter Elke Heidenreich und Marcel Reich-Ranicki.
Einige von ihnen stellen wir hier vor:
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Volker Weidermann
Er leitete das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und das Literarische Quartett in seiner Neuauflage von 2015.
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Christine Westermann
Die Literaturkritikerin und Journalistin ist ihrerseits ebenfalls Autorin und muss sich Kritikern stellen. Sie moderierte verschiedene Fernsehsendungen und war im Team des bereits erwähnten Literarischen Quartetts des ZDF.
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Elke Heidenreich
Auch Elke Heidenreich ist nicht nur Literaturkritikerin, sondern auch Journalistin und Schriftstellerin, darüber hinaus war sie in den 1970er Jahren als Kabarettistin tätig.
Video: Gespräch mit Elke Heidenreich über Reisen und Literatur (auf der Frankfurter Buchmesse 2022)
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Hellmuth Karasek
Im Jahr 2015 starb Hellmuth Karasek, der Insidern bis heute ein Begriff ist. Der Journalist und Leiter des Kulturressorts des „Spiegel“ war Teil des Literarischen Quartetts. Zum Leben von Hellmuth Karasek als einem der bedeutendsten Literaturkritiker gab es zahlreiche Sondersendungen.
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Marcel Reich-Ranicki
Der deutsche Publizist galt als einer der einflussreichsten Literaturkritiker und starb im Jahr 2013 mit 93 Jahren. Auf der Suche nach den besten Kritikern kam niemand an ihm vorbei und trotz seiner Stellung als Holocaust-Überlebender ließ er sich nie darauf reduzieren, sondern machte sich vielmehr als Kritiker, der über Sieg oder Niederlage eines literarischen Werkes entscheiden konnte, einen Namen.
Video: Marcel Reich-Ranicki tot – PORTRÄT LITERATURPAPST – LITERATURKRITIKER verstorben 18.9.2013
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Dorothea Schlegel
Die Literaturkritikerin und deutsche Schriftstellerin war für ihre Romane (u. a. „Florentin“) bekannt. Sie gehörte zum Romantikerkreis von Jena und war dort mit ihrem Mann Friedrich Schlegel tätig. Sie galt als eine der berühmtesten Frauen in der Zeit der deutschen Romantik.
Die hier Genannten stellen natürlich nur eine kleine Auswahl der bekannten Kritiker dar, die sich über die Jahre hinweg einen Namen in der Branche machen konnten. Ihr Einfluss war groß und teilweise waren die Rezensionen von den Autoren gefürchtet. Heute übernehmen dank der Online-Bewertungsmöglichkeiten vielfach Leser selbst die Bewertungen literarischer Werke und die Meinungen „der Großen“ der Branche gehen unter.
Sie werden weniger beachtet und sind bei der Auswahl guter Bücher längst nicht mehr so maßgeblich wie früher. Dennoch wird die Meinung der Kritiker auch in Bezug auf TV, Hörfunk und Internet geschätzt. Häufig übernehmen beispielsweise Journalisten die Aufgaben der Kritiker und verfassen Kommentare, die in den Randspalten von Zeitungen und Zeitschriften erscheinen. Ob und inwieweit ihr Einfluss noch vorhanden ist, sei aber dahingestellt. Die derart abgedruckten Meinungen sind oft eher durch ihren Unterhaltungs- und weniger durch den Informationswert geprägt.